Offshore Aquakultur: LFA-Projekt erforscht technische und ökonomische Umsetzbarkeit
Das Institut für Fischerei der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern will ein bewirtschaftungsfähiges Offshore Aquakultursystem entwickeln, welches von kleinen Unternehmen im Bereich der Ostseeküste im Haupterwerb potentiell einsetzbar ist. Hierfür werden Regenbogenforellen (O. mykiss) in verschiedenen Offshore-Käfigen produziert. Ein hiesiges Fischereiunternehmen dient als Wirtschaftspartner. Gleichzeitig sollen Kultivierungsverfahren für eine Miesmuschel-Aquakultur getestet werden.
In dem Projekt „Offshore-Aquakultur – Technische Entwicklung eines kombinierten Aquakulturverfahrens mit Fischen und Muscheln für die Küstengewässer Mecklenburg-Vorpommerns“ sollen z.B. folgende Fragestellungen untersucht werden:
- Ist eine Fischzucht wirtschaftlich und technisch umsetzbar in den Küstengewässern von M-V?
- Ist die kontinuierliche Produktion von Fischen von März/April – November/Dezember möglich und wirtschaftlich umsetzbar?
- Ist eine mehrjährige Muschelaufzucht für die Produktion von Speisemuscheln technisch und wirtschaftlich realisierbar?
- Wie hoch ist der Nährstoffeintrag aus den Futtermitteln bzw. der Austrag durch die Fisch- und Miesmuschel Entnahme?
Die Wissenschaftler wollen mit dem Projekt eine wettbewerbsfähige, ökologisch nachhaltige, rentable und sozial verantwortungsvolle Aquakultur für kleine Fischereibetriebe an der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln.
Dieses Projekt wird mit Landesmitteln und Mitteln aus dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF) in Höhe von ca. 2 Millionen Euro unterstützt.
Ansprechpartner für weitere Fragen sind die Projektbearbeiter beim Institut für Fischerei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern:
Dr. Florian Peine Björn Damm
Telefon +49 381 20260750 +49 381 20260751
Email: f.peine@lfa.mvnet.de b.damm@lfa.mvnet.de
Hintergrund
International ist ein starkes wirtschaftliches Wachstum in der Aquakulturbranche auch im marinen Bereich zu verzeichnen. „Im europäischen Grünen Deal und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ wird das Potenzial von Meereserzeugnissen als Proteinquelle für Lebens- und Futtermittel mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck unterstrichen, was eine wichtige Rolle beim Aufbau eines nachhaltigen Lebensmittelsystems spielen muss. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ enthält zudem auch spezifische Ziele für die Aquakultur, insbesondere die Verringerung der Verkäufe von antimikrobiellen Mitteln und einen deutlichen Ausbau der ökologischen Aquakultur“ (EU COM (2021) 236 final).
Die Ertragslage der kleinen bis mittelständigen Fischereibetriebe in küstennahen Gebieten wird in immer stärkerem Maße durch die Begrenzung der Ressourcen aber auch durch Regulierungsmaßnahmen wie Quoten, Gebietsschließungen, saisonale Fangverbote und Prädatorendruck von z.B. Kegelrobben und Kormoranen bestimmt. Ein dauerhaftes Gleichgewicht zwischen den aquatischen Ressourcen und ihrer Nutzung durch die Fangfischerei kann aber auch durch andere Verfahren wie der Aquakulturproduktion von Brackwasser angepassten Fischarten wie Born-Forelle, Ostseeschnäpel, Saibling, Lachs und Zander angestrebt werden. Damit wäre es möglich, den Druck der Fangfischerei auf die Bestände zu mindern.
In der Vergangenheit wurden in Mecklenburg-Vorpommern standortspezifisch bereits Erfahrungen in der marinen Aquakultur gesammelt. So wurde in den Jahren 1987-1991 eine Promotionsarbeit zum Thema „Grundlagen einer Miesmuschelaquakultur in der Mecklenburger Bucht“ (Böttcher, 1991) erstellt. In diesem Zeitraum fanden am Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung Rostock die Arbeiten zum Thema „Untersuchungen zur fischereilichen Nutzung der Miesmuschel in der westlichen Ostsee“ ihren Höhepunkt in der Umsetzung eines großtechnischen Versuches einer getauchten Langleine zur Speisemuschelproduktion. Spätere Untersuchungen der LFA (1991 und 1994) beschäftigten sich im Wesentlichen mit der Bestandsaufnahme der Miesmuschelbestände in den Küstengewässern MV´s (Mitteilungen der LfA, Heft 11, 1996). Eine Produktionseinheit Typ „Barth“ wurde bis zum Jahr 2016 als einzige seeseitige Anlage in MV mit einem jährlichen Produktionsvolumen von 5 bis 8 t Lachsforellen durch die Schewe/Zimmermann GbR in der Ostsee mit Erfolg betrieben. Neben der Ausrichtung zur Steigerung des Produktionsvolumens und der Weiterentwicklung der Trägertechnik werden aber auch schon seit Jahren ökologische Aquakulturverfahren erprobt und in der Praxis angewendet. Diese arbeiten nach dem Prinzip der Kopplung einer Fischproduktion mit der Kultivierung verschiedener Arten niedrigerer trophischer Ebenen wie z.B. Muscheln und Makrophyten, wobei die Stoffwechselprodukte oder Futterreste der Fische einer weiteren Verwertung zugeführt werden – eine sogenannte „Integrierte Multitrophische Aquakultur“ (IMTA). In einem Verbund-Projekt (Laufzeit: 2013 bis 2015) testeten die Lehrstühle für Aquakultur und Sea-Ranching, Aquatische Ökologie, Meersbiologie und Meerestechnik der Universität Rostock ein solches IMTA-verfahren. Ziel war unter anderem die Erfassung des Stoffkreislaufes einer Fischproduktionsanlage in der Ostsee und potentiell geeignete biogene Filter zu bestimmen.
Intensiviert wurden diese Bemühungen nochmals in den Jahren 2018-2023 mit dem LFA-Vorgängerprojekt „Kombinierte marine Aquakultur - Erprobung eines Miesmuschelproduktionsverfahrens in Kombination mit einer Fischzucht für eine dezentrale Aquakultur in MV“. Im Rahmen dieses Projektes konnte generell nachgewiesen werden, dass die Kultivierung aktuell nur mit Regenbogenforellen (Oncoryhnchus mykiss) und Miesmuscheln in den Küstengewässern MV’s potentiell wirtschaftlich ist. Im letzten Produktionsjahr des Projektes konnte die Besatzdichte in der Fischzucht von 3-4 kg m-3 auf 11 kg m- 3 fast verdreifacht werden. Die aus der Fischmast resultierenden Nährstoff-Emissionen können durch die Entnahme von 22 kg m-3 Muscheln kompensiert werden. Wird sich bei der Kompensation vor allem auf den Phosphor konzentriert, so wird im Endeffekt der Stickstoff überkompensiert, d.h. es wird mehr Stickstoff entnommen als durch die Fischmast in das System emittiert wird. Kleine, kombinierte Aquakulturen, die nachhaltig betrieben werden, können so neben der Eigenversorgung mit Meeresfrüchten auch einen kleinen aber stetigen Beitrag zur Verbesserung der Küstengewässer leisten.