Der Aal – paneuropäische Fischart mit besonderer Bedeutung für MV

Nr.014/2025  | 17.01.2025  | Europamv  | europa-mv.de

 

Wie jedes Jahr ist auch 2025 eine besondere Art „Fisch des Jahres“ in Deutschland. Fachverbände haben den Aal auserkoren – sehr zu Recht, wie Fischereiminister Dr. Till Backhaus feststellt.

 „Der schlangenförmige Aal ist ein Fisch, der die Phantasie der Menschen auch wegen seines lange unklaren Lebenszyklus und zu anderen Fischarten abweichender Lebensweise schon immer besonders angesprochen hat. Natürlich war der Aal zumindest hierzulande stets auch ein besonders wichtiger Wirtschaftsfisch und ist als Räucheraal im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde“, stellt der Minister fest, sieht aber auch die Kehrseite, welche zu seiner Auswahl als Fisch des Jahres geführt hat.

„Aale sind eigentlich hoch anpassungsfähig und waren in den Flusssystemen Europas sehr weit verbreitet. Mit der Indus­trialisierung sind diesem Wanderfisch, vergleichbar zu Lachs oder Stör, aber massive Probleme erwachsen. Insbesondere die Einwanderung der aus dem Meer aufsteigenden Jungaale – wegen der anfänglich noch fehlenden Pigmentierung bekannt als Glasaale – und die spätere Abwanderung der laichreifen so genannten Blankaale wurde durch die massive Verbauung der Fließgewässer seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts beein­trächtigt, an einigen Stellen gar unmöglich. Das ist für eine weit wandernde Art wie den Aal besonders kritisch“, so der Minister.

Den Menschen der damaligen Zeit war es vorrangig um Wasserstandregulierung und Schiffbarkeit der Gewässer, später auch um die Nutzung der Wasserkraft für die Energiegewinnung gegangen. „Damals hat noch keiner mit heute üblichen vorsor­genden Ansätzen über negative Auswirkungen nachgedacht. In viele Sperrbauwerke waren gleich so genannte Aalfänge mit eingebaut worden, um die besonders großen und fetten Blankaale noch einfacher zu fangen. War den Fischen die Rückwanderung ins Meer schon weitgehend abgeschnitten, kamen schließlich noch Turbinen von Wasserkraftwerken aller Größenordnungen hinzu, die heute noch für eine hohe Sterblichkeit abwanderungswilliger Aale verantwortlich sind“, resümiert der Minister die fatale Entwicklung. Hinzu kamen chemische Verunreinigungen der Gewässer, die Degradierung vieler Stammgewässer des Aales und die Einschleppung von Krankheiten und Parasiten aus Übersee sowie deren Verbreitung.

Schließlich führte die Naturschutzpolitik zu vielen Verbesser­ungen für stark beeinträchtige Arten, darunter aber auch für solche, die gerade dem Aal besonders gerne nachstellen, wie beispielsweise Kormorane.

„Während Gewässerverbauungen und Wasserkraftnutzung in der Niederungslandschaft Mecklenburg-Vorpommerns nicht so bedeutsam sind und damit so gravierend für den Aal wirken wie anderswo, haben sich alle Faktoren zusammen natürlich auch hier massiv ausgewirkt. Nur als Beispiel erinnere ich an den Schwimmblasenwurm, der um 1980 nach Europa eingeschleppt wurde und die Aalbestände europaweit massiv befiel. Auch heute noch ist ein wesentlicher Anteil des Bestandes mit diesem nicht einheimischen Parasiten befallen. Bedingt durch die Schädigung der Schwimmblase kann die erfolgreiche Rückwanderung der Aale, die das Meer erreichen und dem Westatlantik zusteuern, negativ beeinflusst sein, weil die Aale durch den Parasiten geschwächt sind und die wichtige Schwimmblasenfunktion beeinträchtigt ist. Erfreulich ist jedoch, dass in den Binnen- und Küstengewässern des Landes eine abnehmende Befallsrate sowie Befallsintensität mit dem Schwimmblasenwurm innerhalb der letzten 30 Jahre festgestellt wurde“, so Dr. Backhaus. „Im Aalmanagement dokumentiert sind auch viele äußere Verletzungen abwandernder Aale vor allem durch Turbinen und Schnäbel fischfressender Vögel. Hinzu kommen hormonelle Belastungen durch kommunale Abwässer.“

Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts wären die Bestände ohne massiven Besatz mit Glas- oder vorgestreckten Jungaalen noch schneller eingebrochen. Schon damals war klar, dass man vor allem die Ursachen bekämpfen und vor allem die Gewässer renaturieren muss. Neben dem Aal waren auch andere Fischarten sowie verschiedenste aquatische Organismen massiv betroffen, darunter ganz besonders Großmuscheln, Krebse, Lurche und auch Wasserpflanzen. „Heute setzt die Wasserrahmenrichtlinie der EU den Maßstab, und es zeigt sich: Die Sanierung, Renaturierung und Absicherung der Durchwan­der­barkeit der Fließgewässer und ganzer Gewässersysteme kosten ein Mehrfaches ihrer früheren einseitigen Umnutzung, sowohl an Ressourcen als auch an Zeit“, sagt Dr. Backhaus und sieht hierin eine komplexe Herausforderung für Generationen.

Der Aal bietet sich als Indikatorart für die angepeilten Fortschritte geradezu an. Immerhin gibt es keine andere einzelne Fischart, der die Europäische Union so viel Aufmerksamkeit, unter anderem mit einer eigenen Verordnung, zuteilwerden lässt. „Daneben ist für unser Land auch die Meerforelle ein wichtiger Signalgeber für die noch bestehenden Problemlagen, aber auch Verbesserungen. Das wurde frühzeitig erkannt, und für diese Arten gibt es Aktivitäten und beim Aal seit mehr als zehn Jahren sogar ein landesspezifisches Management auf Basis der Europäi­schen Aalverordnung. Warnow und Peene sowie die systemzu­gehörigen Gewässer sind dafür als eigenständige deutsche Flussgebietseinheit definiert und liegen bekanntlich ausschließ­lich auf unserem Territorium. Das heißt auch: Hier liegt das Aalmanagement in unserer eigenen Hand“, stellt der Minister fest und verweist zugleich auf das umfangreiche und für andere Bundeländer beispielgebende Engagement des Landes.

„Seit 2009 erfolgt ein systematischer Besatz der für eine spätere Abwanderung geeigneten Gewässer in MV, der ebenso wie das Glasaal- und Blankaalmonitoring in ausgewählten Fließgewässern sowie das Gelbaal-Monitoring im Küstenmeer wesentlicher Bestandteil des Aalmanagements im Land ist. Alle diese Maßnahmen werden aus dem jeweiligen Fischereifonds und unter Kofinanzierung mit Landesmitteln finanziert sowie in Bezug auf Maßnahmen privatrechtlicher Partner höchstmöglich unter­stützt. Damit erfüllt Mecklenburg-Vorpommern die Anforder­ungen auch im Rahmen des gesamtdeutschen als auch des paneuropäischen Aalmanagements“, stellt Dr. Backhaus heraus.

„Rechnen wir 2025, das Jahr des Aals, mit hinzu, werden hierzulande seit 2009 bis zum Jahresende insgesamt mehr als 100 Tonnen Besatzaale in Binnengewässern ausgebracht worden sein. Dass sind dann etwa 30 Millionen Individuen, davon knapp 14 Millionen vorgestreckte Aale und mehr als 16 Millionen Glas­aale. Bis letztes Jahr hat das Land die Gesamtausgaben von 5,16 Millionen Euro mit knapp drei Millionen Euro aus dem EU-Fischereifonds und 937 000 Euro Landesmitteln unterstützt. Fast 1,3 Millionen Euro haben Angler und Fischer als Eigenmittel aufgebracht. Hinzu kommt der Besatz in den Küstengewässern, den das Land, seit 2014 finanziert mit rund 225 000 Euro aus den Einnahmen für die Küstenangelerlaubnisse, selbst unternimmt. Das sind nochmals 2,1 Millionen Glasaale“, freut sich der Minister und sieht dies als Gemeinschaftswerk von Anglern und Fischern, die hier keineswegs nur aus Eigennutz, sondern als aktive Natur­schützer mitwirken, sowie öffentlichen und privaten Streitern im Sinne der guten Sache und zum Wohle dieser besonders wichti­gen Art. Nicht eingerechnet sind hier die Aufwendungen des Landes für das Management, teilweise auch mit EU-Mitteln mitfinanziert.

Immer wieder kämen Forderungen nach einem Verbot sämtlicher fischereilichen Aktivitäten auf den Aal auf, hat die Europäische Union nun im zweiten Jahr infolge den Aalfang in den Meeres- und Übergangsgewässern für Fischer streng limitiert und für Freizeitfischer gänzlich untersagt. „Allerdings sind die Eingriffs­maßnahmen zur Regulierung der Fischerei weitgehend ausge­schöpft und zeigt sich, dass es mehr denn je darauf ankommt, nicht-fischereiliche Faktoren in den Fokus zu nehmen. Das soll mit der angekündigten Novellierung des deutschlandweiten Aalmanagements und der Weiterentwicklung auf gesamteuro­päischer Ebene nun deutlich verstärkt in Angriff genommen werden“, kündigt Dr. Backhaus an. „Die Angler und Fischer sehe ich dabei nach wie vor als Partner und nicht als Problem.“ Keiner könne mit wissenschaftlicher Akkuratesse sagen, wie es dem Bestand hierzulande ohne den Besatz der letzten Jahrzehnte heute ginge und ob er überhaupt noch als solcher existierte. Gerade weil man die Langlebigkeit der Aale in Betracht ziehen müsse und die resultierenden Verzögerungen möglicher positiver Auswirkungen sowie die weiteren Faktoren in ihrer Gewichtung nicht genau kenne, wäre es fatal, jetzt diese Strategie aufzugeben.

Schließlich gibt es im Rahmen des landesspezifischen Managements auch deutlich sichtbare Zeichen einer leicht zunehmenden Verbesserung. „Basierend auf voneinander unabhängigen Erfassungsmethoden kann für den Gelbaalbestand im Küstenbereich eine positive Entwicklung der Bestandsdichte innerhalb der letzten Jahre gezeigt werden.“ Weitergehend verweist Backhaus auf den Binnenbereich, wo sich ähnlich positive Tendenzen zeigen. „Im Vergleich zu den Vorjahren wurden im Jahr 2024 deutlich mehr in den Binnenbereich einwandere Jungaale an den Monitoringstationen des Landes beobachtet. Ebenso deutet die gestiegene Abwanderung beim Blankaalmonitoring im Jahr 2024 auf eine positive Entwicklung des Aalbestands hin und unterstreicht somit die Wirksamkeit der in Mecklenburg-Vorpommern getroffenen Management­maßnahmen.“

Auf europäischer Ebene problematisch sei leider auch, dass Aale in den Ländern der Union sehr unterschiedliche Wertschätzung als Speisefisch genießen. „Wo kein Aal gegessen wird und besonders die berufliche Fischerei vom Aalfang nur wenig bis gar nicht abhängt, ist es anscheinend leichter, sich – mangels Expertisen auch vorsorglich – für ein universelles Fangverbot auszusprechen. Das geht in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern einfach nicht. Hierzulande ist und bleibt der Aal noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfisch, aber eben auch einer, für dessen Verbleib in unseren Gewässern und dessen Entwicklung zu guten Beständen – auch einer im Ökosys­tem wichtigen Art – es sich für Angler, Fischer und Artenschützer besonders lohnt gemeinsam zu kämpfen. Dieses Engagement wollen wir weiterhin erhalten und soweit es geht unterstützen. Schutz der Natur geht gemeinsam mit den Nutzern immer besser als im Wege konfrontativ wahrgenommener Prozesse“, stellt der Minister noch einmal deutlich heraus.